Erscheinungsbild
Als typischer Vertreter der Gattung Vibrio zeigt Vibrio cholerae die Zellform eines kommaförmig gekrümmten Stäbchens, das gestalt-bezogen von Robert Koch „Kommabazillus“ genannt wurde. In der Gram-Färbung verhält er sich gramnegativ, wird also durch die verwendeten Farbstoffe rot angefärbt. Verursacht wird dies durch eine dünne Mureinschicht in der Zellwand. Er bewegt sich wie andere Vibrio-Arten mit einer einzelnen Geißel fort. Diese sitzt an nur einem Ende der Bakterienzelle, so dass eine monopolar monotriche Begeißelung vorliegt. Überdauerungsformen wie Endosporen werden nicht gebildet. Die meisten Stämme besitzen keine Kapsel, die der Bakterienzellwand aufgelagert ist, eine Ausnahme bildet die Serogruppe O139, die über eine Kapsel verfügt.
Wachstum und Stoffwechsel
Die Zellen sind fakultativ anaerob, sie können sich also auch vermehren, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist. Sie sind Katalase-positiv und Oxidase-positiv, letzteres dient als Unterscheidungsmerkmal zu Vertretern der Enterobacteriaceae. Die Wachstumstemperatur im natürlichen Lebensraum liegt bei 20–30 °C, somit gehört Vibrio cholerae zu den mesophilen (mittlere Temperaturen bevorzugenden) Bakterien. Er kann jedoch auch etwas höhere Temperaturen beim Wachstum tolerieren. Dies nutzt man, falls man ihn im Rahmen einer mikrobiologischen Untersuchung gezielt anzüchtet. Hierbei wird meist eine Temperatur von 35–42 °C zur Kultivierung verwendet. Da V. cholerae im Meerwasser beheimatet ist, ist er halophil („salzliebend“), kann also in Nährmedien mit erhöhter Salzkonzentration kultiviert werden. Außerdem verhält er sich alkalitolerant und kann daher in Nährmedien mit alkalischem pH-Wert wachsen.
V. cholerae betreibt einen chemoorganotrophen und heterotrophen Stoffwechsel, er benutzt organische Verbindungen als Energiequelle und ebenso zum Aufbau zelleigener Stoffe. Sein Stoffwechsel ähnelt dem der Vertreter der Enterobacteriaceae, er kann mehrere Substrate in einer Gärung verwerten. So werden verschiedene Kohlenhydrate (z. B. Glucose, Saccharose und Mannose) fermentativ zu Säuren und anderen Produkten abgebaut. Gas wird dabei nicht gebildet. Außerdem besitzt er die Enzyme Ornithindecarboxylase (ODC) und Lysindecarboxylase (LDC), die die Abspaltung von Kohlenstoffdioxid (CO2) bei den Aminosäuren Ornithin und Lysin ermöglichen. Daher kann auch eine „Bunte Reihe“, die zur Unterscheidung der Enterobacteriaceae verwendet wird, für die Bestimmung von V. cholerae eingesetzt werden.
Genetik
Das Genom des Stammes Vibrio cholerae O1 N16961 (auch als Biovar El Tor bezeichnet) wurde im Jahr 2000 vollständig sequenziert. Der für die Untersuchung verwendete Bakterienstamm wurde aus einer Stuhlprobe eines Patienten einer Choleraepidemie in Bangladesch 1971 isoliert. Das Genom weist eine Größe von 4033 Kilobasenpaaren (kb) auf, was in etwa mit der Genomgröße von Escherichia coli vergleichbar ist. Es sind 3887 Proteine annotiert. Die Ergebnisse der Sequenzierungen des El-Tor-Stammes und weiterer Stämme der Art zeigen einen GC-Gehalt (den Anteil der Nukleinbasen Guanin und Cytosin) in der Bakterien-DNA von 47–48 Mol-Prozent. Dies ist vergleichbar mit dem GC-Gehalt in der DNA von E. coli und anderer Enterobacteriaceae, die wie Vibrio zur Klasse der Gammaproteobacteria gehören.
Das Genom von V. cholerae verteilt sich auf zwei zirkuläre Segmente, oft auch Bakterienchromosome genannt. Dies ist für Bakterien ungewöhnlich, da die meisten Bakterien nur ein einziges kovalent geschlossenes, ringförmiges dsDNA-Molekül besitzen. Chromosom 1 von V. cholerae umfasst 2961 kb, während Chromosom 2 mit 1072 kb kleiner ausfällt. Die meisten Gene für wichtige Zellfunktionen, wie Replikation, Transkription, Translation der DNA sowie Synthese der Bakterienzellwand, aber auch die Virulenzfaktoren befinden sich auf dem großen Chromosom. Das kleinere Chromosom umfasst Gene, die nicht typisch für das Genom der Gammaproteobacteria sind. Vielmehr handelt es sich um Gene, die typischerweise auf einem Plasmid lokalisiert sind. So findet sich hier beispielsweise ein Integron (als Integron Island bezeichnet). Dieser Genabschnitt dient dazu, Gene aus einem Chromosom oder einem Plasmid einzufangen, was für die Pathogenität von Bedeutung ist. Da derartige Integrons sonst nur auf einem Plasmid enthalten sind, führte ihre Entdeckung auf dem Bakterienchromosom 2 zu der Annahme, dass sein Ursprung ein „Megaplasmid“ ist, das von der Urform einer Vibrio-Art aufgenommen wurde.
Nachweise
Die in der Lebensmittelmikrobiologie eingesetzten Untersuchungsmethoden für Vibrio cholerae und andere Vibrio-Arten sind durch die ISO 21872 und in den USA durch das Bacteriological Analytical Manual (bakteriologisch-analytisches Handbuch, Abkürzung BAM) der Food and Drug Administration (FDA) – der US-amerikanischen Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit – vorgeschrieben.
Bei Proben wie Wasser oder Lebensmitteln erfolgt zunächst eine Anreicherung von V. cholerae in alkalischem Peptonwasser. Neben Pepton (einem Gemisch aus Peptiden und Aminosäuren) weist diese Nährbouillon eine hohe Konzentration an Natriumchlorid sowie einen alkalischen pH-Wert von pH 8,5 auf, durch diese beiden Parameter wird das Wachstum zahlreicher anderer Bakterien gehemmt. Falls die Kultivierung in diesem Medium bei 42 °C erfolgt, ist die Anreicherung noch selektiver, da durch die hohe Temperatur andere mesophile Bakterien im Wachstum gehemmt werden. Zur Isolierung von V. cholerae wird nach der Anreicherung ein geringes Volumen der Nährbouillon auf TCBS-Agar ausplattiert, der als Vibrio-Selektivmedium verwendet wird.
Bei klinischen Proben, wie z. B. Stuhlproben oder Erbrochenem, können diese mit einem Tupfer auf dem Selektivmedium verteilt werden. Allerdings empfiehlt sich auch hier eine Selektionierung mit einem alkalischen Medium wie dem alkalischen Peptonwasser. Neben dem Selektivmedium TCBS-Agar sollte auch ein wenig selektiv wirkendes Nährmedium beimpft werden. Es wird auch der direkte Nachweis der beweglichen Vibrionen in klinischen Proben mit Hilfe der Dunkelfeldmikroskopie oder der Phasenkontrastmikroskopie durchgeführt, wobei auf diese Weise aber keine sichere Identifizierung der Art möglich ist.
TCBS-Agar steht für Thiosulfate Citrate Bile Sucrose Agar und verweist auf die wichtigsten Komponenten des Nährmediums: Hohe Konzentrationen an Natriumthiosulfat und Natriumcitrat hemmen weitgehend das Wachstum von gramnegativen Enterobacteriaceae, während Ochsengalle (im Englischen bile) das Wachstum der grampositiven Begleitflora, vor allem der Enterokokken verhindert. Saccharose (im Englischen sucrose) ist das einzige Kohlenhydrat im TCBS-Agar und schränkt das Wachstum für Bakterien ein, die Saccharose nicht verwerten können. Zusammen mit den enthaltenen pH-Indikatoren kann der Abbau des Kohlenhydrats durch Vibrio-Arten über die Säurebildung sichtbar gemacht werden. Unbeimpft weist das Medium einen alkalischen pH-Wert (pH 8,6) auf, durch den ebenfalls eine Wachstumshemmung anderer Bakterien erfolgt.
Auf TCBS-Agar gewachsene Kolonien müssen zur Differenzierung der verschiedenen Vibrio-Arten noch weiter untersucht werden. Biochemische Tests zur Identifizierung beinhalten, wie bereits beschrieben, den Katalase- und Oxidase-Test, sowie typische Tests aus einer „Bunten Reihe“, wobei unter anderem auf die Verwertbarkeit verschiedener Kohlenhydrate und anderer Substrate untersucht wird. Ein darauf basierendes Schnellbestimmungssystem im Miniaturformat (Analytical Profile Index) zur Bestimmung von Bakterien aus den Familien Enterobacteriaceae und Vibrionaceae ist kommerziell verfügbar.
Die Zuordnung zu den Serotypen kann mittels eines Agglutinationstests erfolgen. Dabei wird ein polyvalentes O-spezifisches Antiserum eingesetzt, das mit Probematerial, welches O-Antigene von V. cholerae enthält, zur Agglutination führt. Dieses Verfahren kann als so genannter Latextest (Latex-Agglutinationstest) durchgeführt werden, bei dem die Antigen-Antikörper-Reaktion mit Hilfe von Latexpartikeln sichtbar gemacht wird. Der Nachweis von V. cholerae kann auch direkt mit Hilfe des ELISA-Verfahrens (quantitativer Nachweis der Antigene) durchgeführt werden. Dabei werden sowohl die toxinbildenden Stämme der Serogruppen O1 und O139 wie auch nicht toxinbildende Stämme erfasst. Als Probe kann ein rektaler Abstrich eines Patienten verwendet werden, genauso lassen sich auch Proben aus der Umwelt – beispielsweise Wasserproben – untersuchen.
Neben dem Nachweis des Bakteriums erfolgt auch der Nachweis des durch den Erreger gebildeten Choleratoxins. Dies geschieht mit Hilfe des bereits genannten Latex-Agglutinationstests. Die benötigten Antikörper erhält man aus dem Blutserum von Kaninchen, die mit dem gereinigten Choleratoxin immunisiert wurden. Derartige Testsysteme werden als RPLA (reversed passive latex agglutination; übersetzt „umgekehrte, passive Latex-Agglutination“) bezeichnet und sind als gleichzeitige Nachweismethode des Choleratoxins und des hitzelabilen Enterotoxins LT der Enterotoxischen Escherichia coli (ETEC) kommerziell verfügbar. Der Test wird mit Mikrotiterplatten durchgeführt, als Probe werden verdünnte Flüssigkulturen eingesetzt, zu denen die Latexsuspension hinzugegeben wird. Die Nachweisgrenze liegt bei 1–2 ng/ml, die Sensitivität und die Spezifität des RPLA-Tests sind vergleichbar mit der ELISA-Methode. Ähnlich spezifisch ist der Nachweis bestimmter Teile des bakteriellen Genoms mit Hilfe des PCR-Verfahrens (Polymerase-Kettenreaktion). Hierbei ist der Teil des Genoms, in dem die Toxinbildung codiert ist, Ziel der Untersuchung. Der Nachweis erfolgt mit Hilfe des Multiplex-PCR Verfahrens, dabei ist auch die gleichzeitige Unterscheidung von anderen Enterotoxinen, die Gastroenteritis verursachen, möglich.