Gentechnik durch die Hintertüre? Das Aus für ein gentechnikanbaufreies Bayern!

BUND Naturschutz fordert Eingreifen von Ministerpräsident Horst Seehofer

01.12.2015 - Deutschland

Mit verschiedenen neuen gentechnischen Verfahren der Pflanzenmanipulation wollen Saatguthersteller das Gentechnikrecht unterlaufen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), eine Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt untergeordnete Behörde, will hierfür grünes Licht geben.  
Hiergegen protestieren der BUND Naturschutz, Testbiotech und das Umweltinstitut München gemeinsam mit einem breiten Bündnis von Umwelt- und Ökolandbauverbänden, kleineren Saatgutunternehmen und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das Bündnis hat in kürzester Zeit rund 67.000 Unterschriften gesammelt.  
„Würden die neuen Verfahren vom Gentechnikrecht ausgenommen, wäre dies das Ende nicht nur eines gentechnikanbaufreien Bayerns, sondern eine Deregulierung des Vorsorgeprinzips bei der Agrogentechnik in ganz Europa“, so Richard Mergner, BN Landesbeauftragter. Mit Blick auf die neuen gentechnischen Verfahren fordert der BUND Naturschutz deshalb gemeinsam mit dem Bündnis das Eingreifen von Ministerpräsident  Seehofer. Mergner: „Jetzt muss die CSU Farbe bekennen. Ministerpräsident Horst Seehofer muss sich dafür einsetzen, dass Landwirtschaftsminister Schmidt bei der anstehenden EU-Entscheidung über die neuen Züchtungstechniken nicht die ökonomischen Interessen der Gentechnikkonzerne, sondern die Interessen der Landwirte und Verbraucher vertritt, die neue Risiken im Essen ablehnen.“
„Das europäische Gentechnikrecht muss auch bei den neuen Verfahren angewendet werden“, betont auch Dr. Martha Mertens, Gentechnikexpertin des BN. „Würden die neuen Methoden der gentechnischen Veränderung unkontrolliert zum Einsatz kommen, wäre nicht nur die gentechnikfreie Landwirtschaft gefährdet, sondern auch die Wahlfreiheit der Verbraucher. Es würden neue Risiken geschaffen. Die neue Generation der Gentechpflanzen müsste kein Zulassungsverfahren durchlaufen und würde weder einer Kennzeichnungspflicht noch einer Beobachtung unterliegen. Auch ein Standortregister gäbe es nicht.“

Neue Konzernstrategien zur Durchsetzung der Gentechnik

Nachdem Agrogentechkonzerne in Europa mit ihrer Strategie, gentechnisch manipulierte Pflanzen in den Anbau zu bringen, am Widerstand von Landwirten, Umweltverbänden und Verbrauchern gescheitert sind, versuchen sie jetzt, durch geschickte Verschleierungsstrategien die in der EU Freisetzungsrichtlinie (Richtlinie2001/18/EG) festgelegten vergleichsweise strengen Regulierungen des Gentechnikrechts zu umgehen. Gentechnische Verfahren der Pflanzenzucht werden als Nicht-Gentechnik uminterpretiert. Hierbei geht es in erster Linie um die Bewertung von sieben neuen Verfahren.
Gentechkonzerne und Züchtungsunternehmen haben sich in einer europäischen Plattform zusammengeschlossen, der die Großen der Branche, wie Bayer, Dow oder Syngenta angehören, um ihre Interessen besser durchzusetzen1. Beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) stießen sie dabei offenbar bereits auf offene Ohren, denn das BVL hat den herbizidresistenten Raps der Firma CIBUS, der mit dem  umstrittenen Verfahren der Oligonukleotidtechnik entwickelt wurde, Anfang Februar 2015 als „nicht gentechnisch verändert“ eingestuft. Die EUKommission warnte im Sommer 2015 die Regelungsbehörden der EUMitgliedstaaten, darunter das BVL, anfragenden Unternehmen „grünes Licht“ zu geben, bevor sich die EU-Gremien abschließend mit den neuen Verfahren befasst hätten.
Nachdem der von Verbändeseite eingelegte Widerspruch gegen den BVLBescheid zurückgewiesen wurde, hat der BUND-Bundesverband  im Juli 2015 - gemeinsam mit zwei Unternehmen  Klage gegen das BVL eingereicht. Über die Klage ist noch nicht entschieden.  
In der EU wird seit geraumer Zeit über die Einstufung der neuen Züchtungstechniken diskutiert, eine Entscheidung ist bislang nicht gefallen. Allerdings hat die EU-Kommission angekündigt, sich demnächst dazu zu äußern. Die Bundesregierung spielt in diesem Prozess eine zwiespältige Rolle, sagt sie doch einerseits, sie wolle keinen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, betont aber andererseits die wirtschaftliche Bedeutung der neuen Gentechnikverfahren.

Neue gentechnische Verfahren sollen Herbizidabsatz sichern

Der mit der sogenannten ODM (oligonucleotide-directed mutagenesis) Technik erzeugte Raps der Firma CIBUS ist resistent gegen Wirkstoffe, die zur Klasse der ALS-Hemmer (Inhibitoren der Acetolactat-Synthase) gehören. Damit können die entsprechenden Herbizide, wie z.B. Imidazolinon, eingesetzt werden, ohne dass die Rapspflanzen geschädigt werden. Allerdings entsteht dann auch ein neues Problem, weil Ausfallraps dieser Sorte dann nicht mehr  mit dem gleichen Wirkstoff bekämpft werden kann.  
Dabei sind ALS-Hemmer die Herbizide mit dem höchsten Risiko der Resistenzentwicklung auf Seiten der Beikräuter: weltweit sind 157 Beikrautarten bekannt, in denen eine Resistenz gegen ALS-Inhibitoren beobachtet wurde (zum Vergleich - im Falle von Glyphosat sind 32 resistente Beikrautarten bekannt, www.weedscience.org). HR-Systeme dienen nicht der nachhaltigen Landwirtschaft, führen sie doch dazu, dass immer mehr Herbizide eingesetzt werden und dadurch die Biodiversität weiter reduziert und die menschliche Gesundheit gefährdet wird.


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