Wie kommen die Nudeln ins Dorf?

Tests mit Lieferdrohnen beginnen

09.10.2023

In ländlichen Regionen ist es in den vergangenen Jahrzehnten wegen der Schließung vieler Geschäfte immer aufwendiger geworden, an Lebensmittel zu kommen. Vor allem Menschen ohne eigenes Auto müssen oft einigen Aufwand betreiben, um frisches Brot, Gemüse, Milch oder Käse zu kaufen. Sind für solche Regionen Lieferdrohnen eine Lösung? In zwei Projekten soll das jetzt erforscht werden.

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Symbolbild

Im brandenburgischen Wusterhausen nordwestlich von Berlin gibt es das Projekt "Stadt-Land-Drohne". Erprobt werden soll laut Gemeinde, ob Transportdrohnen dafür geeignet sind, Anwohnerinnen und Anwohner in abgelegenen Ortsteilen mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die ersten Lieferdrohnen sollen ab dem Frühjahr 2024 in Wusterhausen fliegen. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Landwirtschaft.

Das zweite Drohnen-Projekt startet unter dem Namen "Drolex" an diesem Donnerstag im hessischen Michelstadt südöstlich von Darmstadt.

Unterstützt vom Bundesverkehrsministerium geht es auch dort um eine Verbesserung der Nahversorgung. "Drolex" steht für "Drohnen-Lastenrad-Express-Belieferung". Ein Warentransport per Lastenrad soll dabei mit dem Drohnentransport kombiniert werden.

Der Wissenschaftler Winfried Eberhardt forscht zum Themenfeld Lebensverhältnisse und Nahversorgung in ländlichen Räumen und verfolgt die Projekte mit großem Interesse. Eberhardt arbeitet am von Thünen-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig - und hat viele Fragen: "Wie hoch sind die Lieferkosten? Ist so ein Liefernetzwerk wirtschaftlich?", fragt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Auch technische Fragen wie Reichweite und Einsatzmöglichkeiten bei ungünstiger Witterung, zum Beispiel starkem Wind müssten geklärt werden. "Die Transportbox hat außerdem nur eine begrenzte Kapazität, was keinesfalls dem Großeinkauf eines Haushalts entspricht."

Ein Thema sei möglicherweise auch die Akzeptanz öffentlicher Drohnenflüge in der Bevölkerung: "Wie empfinden es die Menschen, wenn da jetzt durch den Ort die Drohnen fliegen?" Insgesamt sehe er bislang "mehr Herausforderungen als Chancen". "Ob es jetzt schon die Akzeptanz findet, weiß ich nicht. Aber man sollte es durchaus probieren, um Erkenntnisse zu gewinnen."

Auch Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung ist skeptisch, ob Drohnen eine Nahversorgung im ländlichen Raum in großem Stil sicherstellen können. Solch ein Drohnen-Lieferservice sei extrem aufwendig und "im Massenmarkt nicht zu refinanzieren", sagte der Handelsexperte der Deutschen Presse-Agentur. Solche Services würden nur angenommen, wenn sie subventioniert würden. "Wenn die Bestellung zustellkostenfrei angeliefert wird, dann wird es aus Bequemlichkeitsgründen interessant." Einschränkungen sieht auch Hudetz bei der Liefermenge und der Reichweite der Geräte.

Für eine Drohnenlieferung als Premiumservice sehe er einen Markt - aber nicht zum Null-Tarif. So könne eine Drohne etwa Medikamente schnell und kontaktlos liefern. "Wenn eine Drohne mein Medikament auf den Balkon wirft, dann ist das ein sehr spannendes Thema." Für denkbar hält er auch die schnelle Lieferung von Ersatzteilen etwa für Heimwerker, die während einer Reparatur ein bestimmtes Bauteil benötigten. "Da wird gegebenenfalls der Aufwand, selbst ins Auto zu steigen und in den Baumarkt zu fahren, zugunsten der praktischen Lieferung für beispielsweise 12,95 Euro Liefergebühr abgewogen."

Auch Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein ist skeptisch. Lieferungen per Drohne seien hierzulande wegen der starken Reglementierung von Drohnenflügen aus Gründen der Luftraumsicherung nur sehr begrenzt möglich. Breitflächige Einsatzmöglichkeiten sieht er nicht. Für den Einsatz von Lastenfahrrädern sieht er wegen der Mehrkosten ebenfalls keine

Zukunft: "Alles, was in Deutschland Lebensmittel teurer macht als die Lebensmittel, die bei den Discountern stehen, ist aus meiner Sicht zumindest derzeit nicht durchsetzbar, weil der Deutsche preisorientiert kauft und nicht einsieht, auch nur einen Cent mehr zu bezahlen." Mehrkosten würden die Kundinnen und Kunden auf absehbare Zeit nicht akzeptieren.

Das Grundproblem von immer weniger Geschäften auf dem Land ist derweil unstrittig. "In vielen Dörfern wird insgesamt die Infrastruktur immer weiter ausgedünnt", stellt Eberhardt fest. "Wir haben immer weniger Ärzte, Apotheken, Gaststätten, Bäcker, Schlachter. Banken ziehen sich zurück, die Post fällt auch weg." Die Versorgungssituation sei teilweise sehr ungünstig.

Zur Verdeutlichung nennt der Experte eine Zahl: So sei von 1990 bis 2020 die Zahl der kleineren Läden für Lebensmittel mit bis zu 400 Quadratmetern Verkaufsfläche in Deutschland von 66 500 auf etwa 8400 zurückgegangen. Allerdings hätten in den betroffenen Orten nach der Schließung manchmal Alternativ-Angebote Fuß gefasst. So gebe es Dorf- und Bürgerläden oder mobile Angebote wie rollende Supermärkte. Zunehmend gebe es außerdem Lebensmittelautomaten./tob/DP/zb (dpa) 

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