China vor der EU-Haustür: Freihandel mit der Schweiz beginnt

Chinesische Billigware macht vielen Unternehmen in der EU Sorgen. In der Exportnation Schweiz hingegen sieht man im ungehinderten Handel mit dem Reich der Mitte vor allem Vorteile.

02.07.2014 - Schweiz

Die Ortswahl wirkt durchaus symbolisch: Ausgerechnet in den Basler Rheinhafen - also in Sichtweite zur deutschen und zur französischen EU-Außengrenze - hat die Schweiz eingeladen, um am Dienstag ihr Freihandelsabkommen mit China offiziell in Kraft zu setzen. Seit dem 1. Juli fallen in der Alpenrepublik Zölle für Industrie-Exporte aus dem Reich der Mitte weg. Zugleich beginnt dort der Abbau von Handelsschranken für Schweizer Produkte. Unternehmer in der Eidgenossenschaft klatschen vor Freude in die Hände.

Wärend Großbritanniens Premier David Cameron vergeblich bei der EU für eine rasche Aufnahme von Verhandlungen mit Peking über ein Freihandelsabkommen plädierte, hat die Schweiz Nägel mit Köpfen gemacht. Das Kalkül: «Wenn sich Schweizer Firmen vor ihren Konkurrenten aus der EU in China positionieren können, haben sie einen klaren Wettbewerbsvorteil», sagte Daniel Küng, Chef der Außenwirtschaftsorganisation Switzerland Global Enterprise (SGE), der «NZZ am Sonntag».

Eine SGE-Studie geht davon aus, dass Schweizer Exporte nach China nun jährlich um 5 Prozent wachsen. Die Zolleinsparungen würden sich bis 2028 auf etwa 5,8 Milliarden Franken belaufen (4,8 Mrd Euro). Insgesamt könnten Schweizer Exporteure bereits 2015 mehr als 100 Millionen Franken einsparen - bei Uhren, Medikamenten, Chemieprodukten, Präzisionsinstrumenten oder Schokolade. «Diesen Vorteil haben ihre deutschen Konkurrenten nicht», sagte Küng.

China ist für die Schweiz nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner, wenngleich mit deutlichen Abstufungen: 57 Prozent des Eidgenossen-Exports gehen in die EU, 11 Prozent in die USA und bislang nur 8 Prozent nach China und Hongkong.

Aber der Anteil Chinas wächst stetig und das längerfristige Potenzial erscheint riesig: Zwar verfügen viele der rund 8 Millionen Einwohner der Schweiz über eine hohe Kaufkraft. Doch angesichts des rasch wachsenden Marktes in China mit seien nahezu 1,4 Milliarden Menschen ist klar, wer am meisten vom Freihandel profitieren dürfte.

Angesichts dessen waren die Berner Unterhändler bereit, sich auf ein asymmetrisches Abkommen einzulassen: Mit Ausnahmen zum Schutz Schweizer Landwirte kann China seine Waren nun zollfrei in die Alpenrepublik liefern. Hingegen erfolgt der Abbau von Handelsschranken für Schweizer Produkte nur stufenweise, bei einigen Erzeugnissen gar über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren.

Dennoch sind die finanziellen Vorteile der Chinesen im Vergleich kleiner. Die Schweiz erhebt ohnehin nur relativ geringe Importzölle, während die chinesischen bislang vor allem bei hochwertigen Erzeugnissen, wie die Schweiz sie anbietet, weit darüber liegen.

Zudem ist die Schweizer Politik der Marktöffnung strategisch angelegt. Insgesamt hat Bern Freihandelsabkommen mit fast 40 Ländern abgeschlossen, weitere - etwa mit Indien - sollen hinzukommen. Sie könnten eines Tages helfen, Nachteile auszugleichen, die in der Schweiz für den Fall des Zustandekommens der - allerdings heftig umstrittenen - Freihandelszone EU-USA befürchtet werden.

Für China ist das Abkommen auch ein Prestigeprojekt, von dem man sich Signalwirkung erhofft. Die Schweiz sei «das erste kontinentaleuropäische Land sowie die erste aus der Reihe der 20 größten Volkswirtschaften der Welt, die ein Freihandelsabkommen von außergewöhnlicher Bedeutung mit China abgeschlossen hat», erklärte Ministerpräsident Li Keqianq bei einem Besuch der Alpenrepublik.

Chinas größeres Ziel ist ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, seinem wichtigsten Handelspartner. Verhandlungen darüber liegen aber noch in weiter Ferne. Vorher will die EU-Kommission, dass ein geplantes Abkommen über den Schutz von Investitionen unter Dach und Fach kommt. Anders als Großbritannien oder Deutschland fürchten zudem einige EU-Staaten, im Falle eines Freihandelsabkommens mit Peking von chinesischen Billigprodukten überschwemmt zu werden, ohne selbst von stärkeren Exporten nach China profitieren zu können.

-(dpa/Thomas Burmeister)-

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