Nachhaltige Büros: Richtlinien allein reichen nicht
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Nicht ohne die Nutzenden
Erstaunlich dabei ist, dass sich das brachliegende Potential nicht mit herkömmlichen Strategien allein erschliessen lässt. Auch wenn ein Bürogebäude die gängigen Richtlinien für nachhaltiges Bauen und Betreiben erfüllt, empfinden dies die Mitarbeitenden nicht unbedingt. „Die Unterschiede in Gesundheit, Produktivität und Zufriedenheit mit der Arbeitsumgebung lassen sich nicht auf die Erfüllung oder Vernachlässigung von Normen zur Innenraumqualität zurückführen“, so Windlinger. Die Einhaltung dieser Richtlinien sei zwar nach wie vor eine wichtige Basis, ausschlaggebend sei aber die Orientierung an den Mitarbeitenden. Denn wie diese ihre Arbeitsumgebung, ihr soziales Arbeitsumfeld und ihre Arbeitsaufgaben bewerten, wirkt sich wesentlich auf ihre Gesundheit und Leistung aus, so das Fazit der ZHAW-Studie. Beispielsweise sind eine als ungenügend eingestufte Privatsphäre, eine erhöhte Arbeitsbelastung und schwierige Beziehungen zu Arbeitskollegen allesamt Risikofaktoren für Erschöpfungssymptome. Nur wer also mit und für die zukünftigen Nutzenden plant und betreibt, wer deren spezifische Tätigkeiten und Bedarfe einbezieht, kann sicher sein, dass eine Investition in gesunde und leistungsförderliche Büros auch tatsächlich fruchtet. Bauherrschaft, Fachplanern sowie Architektinnen und Architekten rät Windlinger deshalb: „Wer rein auf Normen setzt, vertut eine Chance und investiert unter Umständen ins Leere.“
Wirtschaftlichen Nutzen beziffern
Konkret heisst dies, die Bedürfnisse der künftigen Nutzenden werden früh im Planungsprozess erfasst und einbezogen und auch nach der Bauphase regelmässig evaluiert sowie die Arbeitsumgebung entsprechend verbessert. Königsdisziplin ist dann, das Gesamtsystem zu gestalten, also nebst Aspekten wie Raumklima, Aussicht oder Lärmbelastung auch das soziale Arbeitsumfeld und die Arbeitsinhalte zu optimieren. Auf der Webseite nachhaltigebueros.ch stellt das achtköpfige Forschungsteam einen ausführlichen Leitfaden zur Verfügung: Nebst themenspezifischen Empfehlungen, beispielsweise zu Beleuchtung, finden sich auch übergreifende Hinweise etwa zur Nutzereinbindung oder zu existierenden Nachhaltigkeitslabels und -tools. Mit einem Rechner und anhand von Faktoren wie Krankheitstagen oder Produktivität lässt sich ausserdem der konkrete ökonomische Nutzen beziffern, den bedarfsorientierte Büroumgebungen schaffen.
Umfassende Datenlage
Bei allem brachliegenden Potential betont Windlinger aber: „Grundsätzlich ist die Qualität von Schweizer Bürogebäude bereits heute hoch.“ Das Fazit und der Leitfaden der ZHAW-Studie beruhen auf einer breiten Datenlage: Einerseits gaben über 6000 Personen Feedback zu ihrer Arbeitsumgebung und ihrem Wohlbefinden. In über 700‘000 Messwerten erfassten die Forschenden anderseits die Konditionen in den 26 untersuchten Schweizer Gebäuden: Im Sommer wie im Winter wurden Daten wie Luftfeuchtigkeit, Helligkeit, Temperatur und Sprachverständlichkeit in den Büroräumen erhoben. Das Baujahr variiert von betagten Bauten aus 1902 bis zu modernen, zertifizierten Neubauten; auch bei der Bauweise und der Gebäudetechnik deckt die Studie ein breites Spektrum ab. Umsetzungspartner der drei Hochschulen ZHAW, ETH Zürich und Chalmers waren Ernst Balser und Partner sowie Witzig The Office Company. Genauere Angaben zum Aufbau der Studie und zu den Forschungsergebnissen finden sich ebenfalls unter nachhaltigebueros.ch.