Mineralölrückstände bei Pralinen: Der Einfluss von Stiftung Warentest

Kommentar von Gerald Lindinger-Pesendorfer, Branchenexperte bei Dr. Wieselhuber & Partner

24.11.2014 - Deutschland

Und wieder sorgt Stiftung Warentest für Aufregung bei FMCG-Herstellern: Die zuletzt erschienen Tests zu Pralinen und Vollwaschmittel enthalten ausreichend Sprengkraft, um einzelne Hersteller in ernsthafte Schieflage zu bringen. Wer kauft schon Waschmittel mit mangelhafter Reinigungsleistung, oder wer schenkt Pralinen, die mit Mineralölrückständen in Verbindung gebracht werden?

Weihnachten ist im Pralinengeschäft der absolute Umsatztreiber – wenige Wochen entscheiden, ob das Jahr gut oder schlecht abgeschlossen wird. Genau vor dieser kritischen Zeit kann also eine kritische Beurteilung von Stiftung Warentest existenzbedrohende Auswirkungen auf ein Unternehmen haben. Insbesondere weil viele der Hersteller im harten Wettbewerb ohnehin mit niedrigen Margen zu kämpfen haben.

Wie groß die Auswirkungen sein können, hat man zuletzt bei Ritter Sport gesehen. Auch wenn sich die Vorwürfe letztendlich als haltlos erwiesen haben, so hat das Unternehmen großen Schaden erlitten und wurde zumindest kurzfristig in absoluten Krisenmodus versetzt. Dass Ritter Sport trotzdem auf eine Schadensersatzforderung verzichtet, bestätigt wie viel Respekt FMCG-Hersteller vor dieser einflussreichen Institution haben.  Es zeigt sich aber auch, wie zwiespältig viele Hersteller mit Stiftung Warentest und auch Ökotest umgehen. Vielfach werden die Testmethoden kritisch beurteilt und zumindest in vertraulichen Gesprächen die Seriosität der Institute in Frage gestellt. Trotzdem widersteht kaum ein Unternehmen der Versuchung, im Falle einer guten Beurteilung, das Stiftung Warentest-Logo mit rot hinterlegtem „Testsieger“-Schriftzug auf den eigenen Produkten anzubringen. Die dadurch häufig erfahrenen zweistelligen Zuwachsraten werden dann gerne „mitgenommen“.

Doch selbstverständlich können Unternehmen „steuern“, wie die Bewertung eines wichtigen Testinstitutes für ein Produkt ausfällt. Von der grundsätzlichen Qualität der Inhaltsstoffe und Herstellungsweise abgesehen, beschäftigen sich viele Unternehmen sehr intensiv mit den genauen Testmethoden und Anforderungen der Testinstitute. Wer diese Aufgabe ernst nimmt, kennt dann auch lange im Voraus den Zeitpunkt der Produktziehung und kann rechtzeitig ein Produkt mit überarbeiteter, passender Formulierung in den Handel einfließen lassen. Sehr bewusst lässt sich damit steuern, welche Marke bei Ökotest oder Stiftung Warentest gut abschneidet. Beides ist häufig nicht möglich, da sich die Testkriterien der beiden Marktführer oft gravierend unterscheiden.

Sich über ein schlechtes, als ungerecht empfundenes Testurteil zu beklagen, greift also meist zu kurz. Häufig haben Wettbewerber die „Hausaufgaben“ besser gemacht und nutzen Stiftung Warentest oder Ökotest konsequent als wichtiges Marketinginstrument. Dies ist dann wiederum nur eine Facette, wie erfolgreiche Unternehmen durchdachte Strategien mit akribischer Detailarbeit in Wettbewerbsvorteile umsetzen.

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