Geschichte
Pu-Erh wird in Yunnan überwiegend in drei Regionen am Oberlauf des Mekong-Flusses angebaut: im Autonomen Bezirk Xishuangbanna der Dai und im administrativen Stadtgebiet von Pu’er und Lincang.
Spätestens seit dem 10. Jahrhundert diente zu Teeziegeln oder -fladen gepresster Tee wegen seiner besseren Haltbarkeit und Transportfähigkeit als Handelsware, die auf den Teerouten über weite Entfernungen transportiert und in den nördlichen und westlichen Grenzregionen Chinas gegen Waren und Pferde getauscht wurde.
Der Teeanbau und die Verarbeitung lagen trotz der wirtschaftlichen Bedeutung für das chinesische Kaiserreich bis ins 14. Jahrhundert in den Händen der einheimischen Ethnien Yunnans, der Blang, Wa, De’ang, Hani, Akha, Lahu und Jino. Im 13. Jahrhundert eroberten die Yuan-Kaiser die Region; eine gezielten Bevölkerungspolitik führte zur Einwanderung von Han-Chinesen aus dem Norden und Südosten Chinas. Han-chinesische Teehändler ließen sich dort erst im frühen 18. Jahrhundert nieder. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert beherrschten sie den Teehandel. Obwohl die Zuwanderer einen tiefgreifenden Einfluss auf die Kultur und Wirtschaft ausübten, blieb die ausgeprägte ethnische und kulturelle Vielfalt in Teilen erhalten und prägt auch das moderne China seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in den 1980er Jahren.
Biodiversität
Die breitblättrige Assam-Variante der Teepflanze ist ursprünglich heimisch in der Provinz Yunnan und ihren Nachbarregionen im Südwesten Chinas (Sichuan, Guangxi und Guizhou) sowie in Laos, Vietnam, Myanmar, Kambodscha und Nordost-Indien. Diese Regionen weisen eine besonders hohe Biodiversität auf. Die verschiedenen Habitate und lokalen Varietäten der Teepflanze, aus denen Pu-Erh gewonnen wird, führen zu großer genetischer, pflanzenchemischer und geschmacklicher Vielfalt des dort produzierten Tees. Heute sind 4 Kategorien, 31 Arten und 2 Varietäten der Teepflanze in Yunnan bekannt, von denen 25 Arten und 2 Varietäten nur in Yunnan vorkommen. Wild wachsende Arten wie Camellia taliensis, C. grandibractiata, C. kwangsiensis, C. gymnogyna, C. crassicolumna, C. tachangensis, C. ptilophylla und C. irrawadiensis können durch zufällige oder im Rahmen von Züchtungen gewollte Introgression neue Varietäten bilden.
Anbauformen
Die gezielte Teeproduktion in speziellen Anbausystemen reicht in dieser Region etwa 1000 Jahre zurück. Als GIAHS-Pilotstätte ist das „Traditionelle Pu'er Tee-Agrosystem“ von der FAO anerkannt.
Tee wird in Yunnan entweder von wild wachsenden Teepflanzen gewonnen, in Agrarwäldern oder Mischkulturen, oder aber in Monokultur in Teeplantagen angebaut. Die Kultur in Wäldern oder in gemischtem Anbau geht auf die jahrhundertealte Tradition der Blang, Akha und Lahu-Ethnien Yunnans zurück. Teepflanzen in Agrarwäldern wachsen als zwei bis acht Meter hohe Bäume in durch gezielte Rodung ausgelichteten Waldgebieten von ca. 0,5 bis 3 Hektar Fläche. Die Teebäume werden dabei von größeren Bäumen beschattet, unter ihnen wachsen bodendeckende Pflanzen. Das Ökosystem der Agrarwälder gleicht noch dem des ursprünglichen Waldes, so dass auf agrochemische Produkte verzichtet werden kann. Teeanbau in Terrassen kam in Yunnan erst in den 1970er Jahren auf.
Anbaugebiete
Pu-Erh wird in vielen Präfekturen und Autonomen Bezirken der Provinz Yunnan hergestellt, darunter in Lincang, Dehong, Simao, Xishuangbanna und Wenshan. Von historischer Bedeutung ist das Anbaugebiet der Sechs Großen Teeberge (六大茶山, Liù Dà Cháshān) in Xishuangbanna am Ostufer des Mekong:
- Gedeng Shan (革登山, Gédēng Shān)
- Yiwu Shan (易武山, Yìwǔ Shān)
- Mangzhi Shan (莽枝山, Mǎngzhī Shān)
- Manzhuan Shan (蛮砖山, Mánzhuān Shān)
- Yibang Shan (倚邦山, Yǐbāng Shān)
- Yōulè Shan (攸乐山, Yōulè Shān)
Bis zur Einwanderung der Han-Chinesen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Tee in dieser Region von den einheimischen Völkern unter der Oberherrschaft der Dai-Aristokratie in Jinghong angebaut; mit der Einwanderung erweiterte sich die Anbaufläche. Der lose Tee wurde von den Produzenten vorab grob verarbeitet und an Han-Kaufleute verkauft, die den Tee in kommerziellen Manufakturen (darunter Song Ping Hao und Tong Qing Hao, deren Produkte heute Sammelobjekte darstellen) weiterverarbeiteten, pressten und in den Handel brachten. Der Handel mit Tee vom Yiwu Shan prosperierte Ende des 18. Jahrhunderts. Handelsbeziehungen bestanden mit Beijing, Südostasien, Hong Kong und Tibet. Zur Zeit der Qing-Dynastie wurden die indigenen Machthaber schrittweise durch chinesische Regierungsbeamte abgelöst. 1729 wurde die Präfektur von Pu'er eingerichtet. Von 1732 bis 1904 wurde Tee von den Sechs Bergen als Tributtee (贡茶, gong chá) an den kaiserlichen Hof geschickt. Der Teehandel bestand während der Zeit der Republik China (1912–1949) weiter und kam erst während des Zweiten Weltkriegs und des Bürgerkriegs bis 1949 zum Erliegen. Bis in die 1990er Jahre produzierte das Anbaugebiet lediglich Rohmaterial für die staatlichen Teefabriken. Ende der 1990er Jahre erwachte das Interesse taiwanesischer Teesammler an alten, gereiften Tees aus der Region, und die Produktion wurde wieder aufgenommen.
Die Kulturlandschaft der alten Teewälder des Jing-Mai-Berges (景迈山古茶林, Jǐngmài Shān Gǔchálín) in Pu’er im Süden der Provinz Yunnan wurde im September 2023 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.