„Wer Fachkräfte sucht, muss investieren"

15.06.2023 - Deutschland

„Wer Fachkräfte sucht, der muss bereit sein, frühzeitig in sie zu investieren und auch den jungen Menschen eine echte Chance geben, die auf den ersten Blick nicht alle Wunschkriterien erfüllen.“ So kommentiert Claudia Tiedge, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die aktuellen Jahresberichte der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG), die viele unbesetzte Lehrstellen ausweisen.* „Die Zeiten, in denen sich Arbeitgeber aus einem Stapel guter Bewerbungen die Besten rauspicken konnten, sind vorbei. An diese Realität haben sich längst nicht alle Betriebe angepasst.“ Noch seien die Erwartungen an junge Bewerber*innen oft zu hoch. Gleichzeitig sei die Bereitschaft, mehr Zeit und Energie als früher in die Ausbildung des Nachwuchses zu investieren, vielerorts zu gering.

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Mit 636.634 Beschäftigten ist die Ernährungsindustrie der viertgrößte Arbeitgeber in Deutschland. 2022 sind 12 Prozent aller Ausbildungsstellen in der Ernährungsindustrie unbesetzt geblieben.* Die stellvertretende NGG-Vorsitzende sieht die Verantwortung dafür auch bei den Arbeitgebern: „Immer wieder wird als Grund genannt, dass die Qualität der Bewerber*innen abnehmen würde. Die Wahrheit ist, dass die Betriebe in der Vergangenheit eine Bestenauslese betrieben haben. Zum Nachteil all der Bewerber*innen, die vielleicht keinen guten Schulabschluss, aber viel Potential haben.“ Denn potenzielle Anwärter*innen gibt es genug. Über 200.000 junge Menschen stecken pro Jahr in schulischen Übergangsmaßnahmen fest, weil sie keinen passenden Ausbildungsplatz gefunden haben. „Hier lassen die Arbeitgeber großes Potenzial brachliegen. Viele dieser jungen Menschen können mit der richtigen Förderung die dringend benötigten Fachkräfte von morgen werden.“, ist sich Tiedge sicher.

Ein weiteres Problem sieht Tiedge auch in der Höhe der Ausbildungsvergütung in Teilen der Ernährungsindustrie. „Nehmen wir das Beispiel der Süßwarenindustrie in Nordrhein-Westfalen: Da gibt es aktuell im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 876 Euro. Das liegt im Vergleich mit anderen Branchen lediglich im unteren Mittelfeld“, so Tiedge. Und weiter: „Das reicht bei der aktuellen Inflation nicht zum Leben. Wer die Wahl hat, entscheidet sich für eine besser vergütete Ausbildung. In den aktuellen Tarifverhandlungen für die Süßwarenindustrie haben die Arbeitgeber die Möglichkeit, diesen Umstand zu beheben. Eine echte Bereitschaft dazu war allerdings bisher nicht erkennbar.“

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