Kunden bestellen seltener bei Hellofresh - aber operativer Gewinnsprung

14.08.2023 - Deutschland
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Der Kochboxenversender Hellofresh hat im abgeschlossenen Quartal infolge der weltweiten Konsumflaute einen deutlichen Nachfragerückgang hinnehmen müssen. Dank geringerer Kosten und verschobener Marketingausgaben gelang den Berlinern dennoch ein operativer Gewinnsprung. Mit der Vorlage der Halbjahreszahlen bestätigte der Vorstand Eckdaten von Mitte Juli.

Damals hatte das Management die Umsatzprognose gekappt, war für den Gewinn aber etwas optimistischer geworden. An der Börse wurden die Nachrichten am Donnerstag dennoch mit Ernüchterung aufgenommen: Die Aktie verlor am Vormittag knapp 2 Prozent.

Die Zahl der aktiven Kunden brach im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast neun Prozent auf 7,3 Millionen ein, wie der MDax-Konzern am Donnerstag mitteilte. Als aktive Kunden zählt Hellofresh alle, die mindestens eine Kochbox innerhalb der letzten drei Monate bestellt haben, egal ob zum vollen oder reduzierten Preis oder gar kostenfrei.

Dabei verzeichnete der Konzern in seinem mit Abstand wichtigsten Segment Nordamerika einen größeren Rückgang als in all seinen anderen Ländern. Auch die Zahl der Bestellungen ging in Nordamerika stärker zurück als auf Konzernebene.

Die Gesamtzahl der Bestellungen des Konzerns fiel um sieben Prozent auf 30 Millionen, während der durchschnittliche Bestellwert um rund fünf Prozent stieg. Der Vorstand erklärte das neben mehr Mahlzeiten pro Bestellungen mit leichten Preiserhöhungen aus dem vergangenen Jahr, die sich nun fortsetzten. Die Preise lägen aber immer noch unter den inflationsbedingten Steigerungen bei Supermärkten, betonte Konzernchef Dominik Richter in einer Telefonkonferenz mit Journalisten erneut.

Kunden greifen zudem vermehrt zu Optionen gegen Aufpreis, sie wählen etwa eine andere Art von Fleisch als vorgeschlagen. Zudem langen sie am Ende des Einkaufs - ähnlich wie im Kassenbereich in Supermärkten - bei optionalen Nachspeisen, Snacks und Getränke zu.

Fertigmahlzeiten der Tochter Factor ließen den durchschnittlichen Bestellwert zuletzt ebenfalls steigen. Mittlerweile biete Hellofresh auch in Europa die verzehrfertigen Mahlzeiten an, sagte Richter. Seit ein paar Wochen werden die Niederlande und Belgien bedient, im nächsten Jahr sollen dann weitere Länder folgen. Bis 2025 soll sich der Gesamtumsatz mit sogenannten Ready-To-Eat-Mahlzeiten mehr als verdoppeln.

Dank einer strikten Kostenkontrolle steigerte der Kochboxenlieferant im Berichtszeitraum den operativen Gewinn merklich. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kletterte um fast ein Drittel auf knapp 192 Millionen Euro. Das war nach Konzernangaben der höchste Quartalswert in der Unternehmensgeschichte und deutlich mehr als von Branchenexperten erwartet. Kritiker monieren aber, dass Essenslieferdienste weniger Geld für die Neukundengenerierung ausgeben, da ohnehin die Nachfrage fehle.

Der Umsatz ging leicht auf 1,92 Milliarden Euro zurück. Wechselkursbereinigt blieb der Konzernerlös in etwa stabil.

Bernstein-Branchenexperte William Woods bemängelte unterdessen die vergleichsweise hohen Marketingausgaben. Der Vergleich zum Vorjahr sei "besorgniserregend". "Hellofresh musste mehr für Marketing ausgeben während der Konzern neun Prozent an aktiven Kunden verlor", schrieb er in einer ersten Einschätzung. 

Die im vergangenen Monat angepassten Jahresziele bestätigte Unternehmenslenker Richter. Währungsbereinigt soll der Umsatz 2023 um zwei bis acht Prozent steigen. Im Vorjahr hatte Hellofresh 7,6 Milliarden Euro erlöst. Als bereinigtes Betriebsergebnis (Ebitda) sollen 470 bis 540 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Nur im schlechtesten Szenario würde das Unternehmen damit operativ weniger verdienen als im Jahr zuvor.

Hoffnung setzt Richter vor allem auf das zweite Halbjahr, in dem sich das Wachstum wieder beschleunigen soll. Dabei baut er auf eine vergrößerte Produktionskapazität und ein ausgeweitetes Angebot an Kochboxen, die vor allem Menschen mit speziellen Ernährungsweisen ansprechen sollen. Die Werbeausgaben sollen dabei in etwa auf dem Vorjahresniveau bleiben. Branchenexperten schauen stark auf diese, weil zu viele Gutschein- und Rabattaktionen auf die Profitabilität drücken./ngu/tav/mis (dpa)

 

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