Mindestlohn - Der Countdown läuft

01.10.2014 - Deutschland

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns rückt unaufhaltsam näher. Ab dem 1. Januar 2015 greifen die Regelungen des wohl umstrittensten Vorhabens der großen Koalition und bringen erhebliche Änderungen mit sich. Insbesondere Emerging Companies, die typischerweise regelmäßig Studenten, Absolventen oder Praktikanten beschäftigen, sind von den Neuerungen betroffen und müssen die Einhaltung der Mindestlohnregelungen sicherstellen. Schon der Name der Gesetzesnovelle ist sperrig, Gleiches gilt leider auch für die mitunter nur schwer verständlichen Regelungen. Das "Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns" (Mindestlohngesetz – MiLoG) wird die betrieblichen Abläufe in vielen deutschen Unternehmen grundlegend ändern.

Wie teuer wird es? Berechnung und Höhe des Mindestlohns

Es dürfte allgemein bekannt sein, dass der Mindestlohn zum 1. Januar 2015 zunächst 8,50 € brutto die Stunde beträgt. Die Berechnung der Einhaltung des Mindestlohns kann in der Praxis trotz dieses vermeintlich einfachen Grundsatzes kompliziert werden.

Zunächst müssen Arbeitgeber beachten, dass sie Arbeitnehmern, die bislang unterhalb des Mindestlohns vergütet werden, zum 1. Januar 2015 eine entsprechende Anpassung der Vergütungsabreden anbieten müssen, wenn diese künftig Anspruch auf den Mindestlohn haben. Erfolgt dies nicht, hat der Arbeitnehmer dennoch Anspruch auf den Mindestlohn. Der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns kann nach gesetzlicher Vorgabe auch nicht mit der Zeit verwirken. Er unterliegt lediglich der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist.

Die (Mindest-)Vergütung eines Arbeitnehmers, der Anspruch auf Mindestlohn hat, berechnet sich nach der folgenden Formel:

Summe der im Kalendermonat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden x 8,50 € Euro.

Schwieriger wird es, wenn der Arbeitnehmer unregelmäßige Vergütungsbestandteile erhält, zum Beispiel Zulagen oder Sonderzahlungen. Können diese auf die Tätigkeitsmonate umgelegt werden, um den Mindestlohn rechnerisch zu erreichen? Die Berücksichtigung dieser Vergütungsbestandteile ist im Gesetz nicht explizit geregelt. Aufgrund der Gesetzesbegründung ist allerdings davon auszugehen, dass Zuschläge, etwa für Überstunden, nicht bei der Berechnung der Einhaltung des Mindestlohns berücksichtigt werden sollen. Gleiches gilt für Fahrtkostenerstattung, Kleidungsgeld oder Jubiläumszahlungen. Auch Sonderzahlungen wie das 13. Monatsgehalt oder das Weihnachtsgeld dürften demnach nicht auf die monatliche Vergütung im Restjahr umgelegt werden, so dass diese Zahlungen nicht dabei helfen, die Mindestlohngrenze zu erreichen. In diesem Bereich wird erst durch die ersten gerichtlichen Entscheidungen Rechtssicherheit hergestellt werden. Für Arbeitgeber gilt es, eher vorsichtig zu agieren, um nicht ungewollt den Mindestlohn zu unterschreiten.

Für wen gilt der Mindestlohn?

Der Gesetzgeber wollte mit dem MiLoG ein allgemein für alle Arbeitnehmer geltendes Gesetz mit wenigen Ausnahmeregelungen schaffen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nahm die Zahl der Ausnahmeregelungen jedoch stetig zu und hat die Unübersichtlichkeit des Gesetzes noch einmal merklich erhöht.

Grundsätzlich gilt das Gesetz für alle „Arbeitnehmer" in Deutschland. Ausgenommen sind daher Auszubildende im Sinne des Berufsbildungsgesetz (der typische "Lehrling"), da diese schon keine „Arbeitnehmer" im Sinne des Gesetzes darstellen. Gleiches gilt für ehrenamtlich Tätige. Auch vom Lebensalter her wurde eine Beschränkung vorgesehen. Minderjährige unterfallen ebenfalls nicht dem Mindestlohn, es sei denn, sie verfügen bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Der typische minderjährige "Ferienjobber" kann somit weiterhin eine Vergütung unterhalb des Mindestlohns erhalten.

Praktika ohne Mindestlohn – Künftig nur bis zum Ende des Studiums

Von hoher Bedeutung für Emerging Companies ist die Frage, wie Praktikanten und Studenten künftig zu vergüten sind. Die entsprechenden Regelungen des MiLoG sind leider alles andere als leicht verständlich. Besondere Wichtigkeit werden in der Praxis die Regelungen zu Praktikanten erlangen. Diese sollen dem Grundsatz nach künftig auch den Mindestlohn erhalten. Allerdings sind zahlreiche Ausnahmeregelungen vorgesehen, die Arbeitgeber kennen sollten. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, Ausnahmen vom Mindestlohn nur für Praktika vor oder während einer beruflichen oder universitären Ausbildung zuzulassen (zu den Einzelheiten später mehr). Praktika, die nach einer Ausbildung oder einem Studium durchgeführt werden, unterliegen demgegenüber dem Mindestlohn. Das bislang typische gering- oder gar nicht vergütete Praktikum zum "Hineinschnuppern" nach dem Studienabschluss gibt es ab dem 1. Januar 2015 nicht mehr. Es ist vom ersten Tag an der Mindestlohn zu zahlen. Auch im Fall des Bachelorabsolventen, der die Zeit bis zum Masterstudium mit einem Praktikum überbrücken will, ist künftig der Mindestlohn zu zahlen. Entsprechende Praktika dürften daher künftig eher Studenten angeboten werden, die – unter Umständen - noch mindestlohnfrei arbeiten können. Nicht ohne Grund wird die Regelung daher auch als "Absolventenfalle" bezeichnet.

Praktikanten – Welche Ausnahmen vom Mindestlohn gelten?

Das Gesetz sieht auf der anderen Seite aber auch Ausnahmen vom Mindestlohn für Praktikanten vor.

Der Gesetzgeber hat zum Beispiel den Bereich der Pflichtpraktika, d.h. derjenigen Praktika, die schulrechtlich, hochschulrechtlich oder durch eine Ausbildungsordnung vorgeschrieben sind, vom Mindestlohn ausgenommen. „Mindestlohnfrei" sind daher alle Praktika, die für den Abschluss oder auch die Aufnahme eines Studiums zwingend vorschrieben sind.

Ferner ist kein Mindestlohn zu zahlen, wenn ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums geleistet wird. Das entsprechende Praktikum muss somit nicht zwingend für die Aufnahme des Studiums oder der Ausbildung vorgeschrieben sein, es bedarf allerdings eines erkennbaren inhaltlichen Bezugs zur angestrebten Ausbildung bzw. zum gewünschten Studium. Wichtig ist auch die zeitliche Befristung auf maximal drei Monate. Soll das Praktikum länger dauern, ist nach dem dritten Monat der Mindestlohn zu zahlen.

Letztlich sind freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten, die begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung geleistet werden, vom Mindestlohn befreit. Wichtig ist, dass ein entsprechendes dreimonatiges Praktikum nur einmal möglich ist, d.h. der Arbeitgeber darf nicht wiederholt auf die Option des dreimonatigen mindestlohnfreien Praktikums zurückgreifen. Allerdings dürfte es zulässig sein, den Dreimonatszeitraum aufzuteilen.

Vorsicht – ein Praktikant ist nicht zwingend ein Praktikant!

Wie erwähnt, gelten die dargestellten Ausnahmeregelungen nur für "Praktikanten". Das MiLoG beinhaltet erstmals eine gesetzliche Definition des Praktikanten. Werden die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Definition nicht erfüllt, handelt es sich nicht um einen Praktikanten, auch wenn der Vertrag mit „Praktikantenvertrag" überschrieben ist. Insbesondere soll die Praktikantentätigkeit dem Erwerber praktische Kenntnisse und Erfahrungen für eine bestimmte berufliche Tätigkeit verleihen. Wird der "Praktikant" zum Beispiel in Bereichen eingesetzt, die nichts mit der angestrebten Tätigkeit im Zusammenhang stehen, besteht die Gefahr, dass es sich rechtlich um einen „normalen" Arbeitnehmer handelt, der unerkannt dem Mindestlohn unterliegt. Daher sollten Arbeitgeber bei der Einstellung von Praktikanten im Geiste stets noch einmal die folgende gesetzliche Definition durchgehen:

"Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt."

Sonstige Studententätigkeiten

Studenten, die außerhalb der dargestellten Ausnahmeregelungen für ein Unternehmen arbeiten, unterliegen grundsätzlich dem Mindestlohn. Der typische "Werkstudent", der sich sein Studium durch Mitarbeit in einem Unternehmen finanziert, muss somit den Mindestlohn erhalten. Etwas anderes gilt nur, wenn die oben dargestellten Anforderungen an ein mindestlohnbefreites studienbezogenes Praktikum erfüllt sind.

Geringfügig Beschäftigte

Auch geringfügig Beschäftigte ("450 €-Jobs" oder "Mini-Jobs") haben Anspruch auf den Mindestlohn, sofern keine der oben dargestellten Ausnahmen gilt. Angesichts des Mindestlohns von 8,50 € dürfen geringfügig Beschäftigte künftig nicht mehr als 53 Stunden im Monat tätig werden. Ansonsten überschreiten sie die 450 €-Grenze und die Privilegierungen der "Minijobber" im Bezug auf die Sozialversicherung würde wegfallen.

Fazit

Der Mindestlohn stellt die Unternehmen vor nicht unerhebliche Herausforderungen. Es ist anzuraten, künftig insbesondere beim Abschluss von „Praktikantenverträgen" genau zu hinterfragen, ob die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns besteht. Ansonsten drohen mitunter schmerzhafte Geldbußen und Zahlungsklagen von Beschäftigen.

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