HINTERGRUND: Tengelmann verabschiedet sich vom Lebensmittelhandel
Doch der Glanz ist lange verblasst. Am Dienstag kündigte Firmenchef Karl-Erivan Haub den Verkauf der letzten verbliebenen Kaiser's-Tengelmann-Supermärkte an den Konkurrenten Edeka an.
"Es ist eine der schmerzlichsten Entscheidungen, die ich in meinem Leben habe treffen müssen", sagte der geschäftsführende Gesellschafter des Familienunternehmens. Denn er habe das Einzelhandelsgeschäft quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Doch sehe er keine Alternative. Die Supermarktsparte schreibe seit 15 Jahren rote Zahlen. Alle Sanierungsbemühungen seien vergeblich gewesen.
Geld verdient das 1867 gegründete Familienunternehmen, das einst als Kolonialwarengroßhändler begann, inzwischen längst abseits des Lebensmittelhandels: Mit dem Textil-Discounter Kik und der Baumarktkette Obi. Auch im Online-Handel ist das Unternehmen aktiv.
Auf diese Bereiche will Tengelmann nun noch stärker das Augenmerk richten.
Allerdings hätte das Familienunternehmen wohl kaum einen schlechteren Zeitpunkt für die Trennung vom Lebensmittelhandel wählen können. Denn das Bundeskartellamt hatte erst vor zwei Wochen seine Besorgnis über die massive Konzentration im deutschen Lebensmittelhandel zu Protokoll gegeben und angekündigt, eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse verhindern zu wollen.
Schließlich kommen die vier größten Lebensmittelhändler - Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) - zusammen schon heute auf einen Marktanteil von rund 85 Prozent. Die Wettbewerbshüter befürchten nicht nur eine Benachteiligung kleinerer Handelsgruppen, sondern ihnen macht auch die Einkaufsmacht der Handelsriesen gegenüber den Herstellern Sorgen. Den geplanten Verkauf wird das Kartellamt deshalb intensiv prüfen.
Haub versucht das Problem am Dienstag herunterzuspielen. Die Kaiser's-Tengelmann-Filialen kämen ja zusammen nur auf einen Marktanteil von gerade einmal 0,6 Prozent, rechnet er vor. "Das macht den Kohl nicht fett." Doch warnt er auch, wenn ein Verkauf nicht zustande komme, drohe im schlimmsten Fall das Aus für die 451 Filialen und fast 16 000 Arbeitsplätze. Doch soll der Verkauf auch deshalb erst Ende Juni nächsten Jahres vollzogen werden, damit genügend Zeit bleibt, mögliche Auflagen der Wettbewerbshüter umzusetzen.
Erschwert werden könnten die Pläne, weil sich Haub ausgerechnet Edeka als Käufer ausgesucht hat. Denn die Marktmacht der Hamburger ist in den Augen der Kartellwächter schon heute besorgniserregend. Edeka sei "gemessen an Umsatz, Beschaffungsanteilen bei Herstellermarken, der Verkaufsfläche und der Standortzahl der bei weitem führende Anbieter in Deutschland", hieß es in der Untersuchung der Wettbewerbshüter.
Für den Handelsexperten Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist das Kartellamt denn auch die größte Hürde, die das Geschäft nehmen muss. "Wenn das Bundeskartellamt das erlaubt, hat es sich im Lebensmitteleinzelhandel selbst entmannt", meint der Branchenkenner./rea/DP/stb (dpa)
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