Aussterbende Spezies Eiswagen: «Ein paar haben wir noch rumfahren»

18.07.2016 - Deutschland

Die Glocke bimmelt, der Kleintransporter kommt. Umschwärmt von Kindern und Erwachsenen reicht der Verkäufer die Eishörnchen durchs Verkaufsfenster an der Seite. Das gibt es noch. In den Großstädten Hamburg und Köln sind noch jeweils zwei Dutzend Eiswagen unterwegs. Es werden allerdings weniger.

Das berichtet zum Beispiel Bernd Stumm, Lebensmittelkontroller bei der Stadt Köln, der vor jedem Saisonbeginn die Wagen abnimmt und auch mit den Eisverkäufern plaudert. «Die Stimmung ist nicht so gut.» Weil es inzwischen an fast jedem See oder anderem Erholungs-Hotspot Gastronomie gebe, werde es «immer schwieriger, an geeigneten Stellen zu stehen» wie Seen und Freibädern.

Auch in Berlin sind die Wagen nur für wenige Große rentabel. Annalisa Carnio von der Union der italienischen Speiseeishersteller (Uniteis) sieht zum Beispiel am Berliner Alexanderplatz des Öfteren Wagen einer großen Eisdiele stehen.

Traditionell funktionieren die fliegenden Eishändler vor allem in der Provinz gut: an Orten, die noch nicht wie die Städte mit Eisdielen überlaufen sind. Zum Beispiel im Städtchen Schwarmstedt im niedersächsischen Heidekreis.

Doch auch dort wird das Eis dünn für die kleinen Verkaufsbusse. «Ich kenne mehrere, für die das nicht mehr rentabel ist», sagt Renato Dal Cin. Einer seiner Kollegen habe es «allein mit dem Eisbus nicht mehr über die Runden geschafft» und habe sich zumindest für wochentags einen anderen Job gesucht.

Dal Cin selbst fährt wie viele Eismacher nur noch auf Bestellung raus. Er steht dann auf Festen in der Umgebung, allerdings mit einem traditionellen Carrettino, einem italienischen Eisfahrrad mit Platz für wenige Sorten. Sich für Feste buchen zu lassen und ein möglichst günstiges Fahrzeug zu unterhalten, ist für die meisten Eismacher überhaupt die einzig rentable Art, einen Eiswagen zu betreiben.

Und es ist eine trendige Nische, bei Hochzeiten oder anderen Festen, sagt Uniteis-Sprecherin Carnio: «Das ist sozusagen schick, bei einem Büffet im Sommer nicht nur das übliche Fingerfood anzubieten, sondern auch einen Eiswagen.»

Gurkeneis und Basilikumsorbet sind dabei nicht immer gefragt. Als Top Fünf der Eissorten 2015 führt Uniteis in dieser Reihenfolge: Vanille, Schokolade, Stracciatella, Erdbeere, Joghurt. Dal Cin bietet auch mal Kartoffeleis an, sagt er. Aber nur, wenn er auf dem Kartoffelfest stehe. Die Eis-Klassiker halten sich.
Weniger gut halten sich die Eiswagen, etwa in Hannover. Klar, die Landeshauptstadt ist nur halb so groß wie Köln, sie hat aber fast viermal so wenige Eiswagen. Sieben sind pro Saison mit behördlicher Erlaubnis unterwegs. Genauso viele sind es aktuell in Dresden.

In München dürfen sie gar nicht fahren. Die sehr um ihr Stadtbild bemühte Verwaltung erlaube «grundsätzlich keinen gewerblichen Handel auf öffentlichem Grund», sagt Referatsleiterin Daniela Schlegel. Das richte sich nicht gegen Eisverkäufer, auch fahrbare Pommes-, Döner- und Würstelbuden seien nicht erlaubt.

Ist das nun ein Grund, wehmütig zu werden? Bedingt, findet Carnio. Carnios Verband als Zusammenschluss der stationären Eismacher sieht das fahrende Eisvolk unter hygienischen Gesichtspunkten kritisch: «Wenn so ein Wagen bei 28 Grad stundenlang herumsteht, leidet die Eis-Qualität enorm.»

Vertretbar sei es höchstens, maximal zwei Stunden irgendwo zu stehen, am besten mit moderner Kühltechnik, Solarstrom und fließend Wasser für den Eisportionierer. «Uns ist wichtig: Werden die gesetzlichen Vorschriften eingehalten?», sagt Carnio.

Um die Einhaltung der Vorschriften geht es auch dem Kölner Kontrolleur Stumm. Die starken Bedenken des Eismacher-Verbands teilt er jedoch nicht: «Wir haben noch ein paar alte rumfahren, die ihren Job gut machen.» Er habe immer etwas zu beanstanden, aber die Eisleute wüssten das. In der Regel sei es mit kleinen Nachbesserungen getan.

Die Kölner sind jedenfalls dankbar, dass noch gelegentlich unverhofft ein Eiswagen dasteht. «Das ist ein Stück Lebensqualität!», bedanken sich die Veranstalter eines Kölner Seifenkistenrennens auf Facebook. Die Einladung, die der Eiswagen ausspricht, ist ein analoges Vergnügen, das niemals digital ersetzt wird.
Auch wenn der Fahrdienst Uber 2014 und 2015 zwei digitale «Eistaxi»-Testballons steigen ließ: Wer an einem bestimmten Julitag in ausgesuchten Großstädten seine Position und das Stichwort «ICE CREAM» durchgab, sollte ein Eis bekommen. (dpa)

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