Recycelte Kunststoffe in Lebensmittelverpackungen

HSBI Wirtschaftsrechtsstudierende in Kooperation mit Spies Packaging

30.09.2025
© K. Starodubskij/HSBI, 02.07.2025

Nico Demand (l.), Vivien Oppermann (2. v. r.) und Emily Holzhauer (r.) fokussierten beim InCamS@BI Makeathon mit den Unternehmensvertretern von Spies Packaging, Jens Huchzermeier und Denis Müller, den Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen.

Nach jedem Wocheneinkauf bleibt er über – der Verpackungsmüll, der direkt nach dem Einkauf entsorgt wird. Für die Herstellung der Kunststoffverpackungen werden erhebliche Mengen an Ressourcen wie Rohöl und Energie benötigt. Angesichts der kurzen Nutzungsdauer der Verpackungen sind diese nachhaltiger, wenn sie recyclebar sind und nach der Nutzung einem funktionierenden Wertstoffkreislauf zur Wiederverwendung zugeführt werden. Um hier einen Wandel voranzutreiben, schreibt der europäische Gesetzgeber vor, dass ab dem Jahr 2030 für die Produktion bestimmter Kunststoffverpackungen zunehmend recycelte Kunststoffe einzusetzen sind. Doch die Qualität der hergestellten Rezyklate variiert stark. Bei der Produktion von Verpackungen für Lebensmittel ergibt sich daraus ein Spannungsfeld zwischen der Umsetzung der Vorgaben und höchsten Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit. Im Rahmen des jüngsten InCamS@BI Makeathon haben drei Studierende des Masterstudiengangs Wirtschaftsrecht an der HSBI gemeinsam mit Spies Packaging an dieser wirtschaftsrechtlichen Challenge gearbeitet.

„Wir stehen vor der Herausforderung, die strengen EU-Vorgaben zur Nutzung recycelter Kunststoffe in Lebensmittelverpackungen zu erfüllen, aber das beißt sich zurzeit noch mit anderen Vorschriften.“ Georg Schengber ist Leiter des Qualitätsmanagements bei Spies Packaging in Melle. Verschiedene Faktoren sorgen nach seiner Erfahrung dafür, dass sein Unternehmen recycelte Kunststoffe, sogenannte Rezyklate, nicht ohne weiteres nutzen kann: „Regulatorische Hürden, begrenzte Verfügbarkeit des Materials und hohe Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit erschweren den Einsatz des Recyclingmaterials erheblich.“ Seit mehr als sechzig Jahren stellt Spies Packaging Verpackungen für Lebensmittel her. Ab dem Jahr 2030 sieht der europäische Gesetzgeber vor, dass für bestimmte Verpackungen anteilig Rezyklate einzusetzen sind.

Zugleich gelten durch die Lebensmittelverordnung strenge Vorgaben zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit. Im Spannungsfeld zwischen der Umsetzung der Nachhaltigkeitsgesetzgebung und der Vorgaben der Lebensmittelverordnung suchte das Unternehmen wirtschaftsrechtliche Expertise und nahm daher am dritten Makeathon des Transferprojekts Innovation Campus for Sustainable Solutions (InCamS@BI) an der Hochschule Bielefeld (HSBI) teil. „Die neuen Vorgaben der EU zum Einsatz recycelter Kunststoffe in Verpackungen beschäftigen derzeit fast alle produzierenden Gewerbe, denn es sind unter anderem auch Transportverpackungen betroffen“, berichtete Prof. Dr. Christiane Nitschke, Professorin für Wirtschaftsrecht an der HSBI zum Auftakt des Makeathons. Die Professorin koordinierte die Veranstaltung, die in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge unter dem Titel „Wirtschaftsrecht im Transfer“ stattfand, gemeinsam mit Kristin Maoro und Micha Steiner aus der InCamS@BI-Forschungsgruppe Wirtschaftsrecht und lud Firmen aus der Region ein, die Studierenden vor „Challenges“ zu stellen.

Wirtschaftsrecht in der Unternehmenspraxis – die konkreten Fragestellungen von Spies Packaging

Drei Studierende des Masters Wirtschaftsrecht, Emily Holzhauer, Vivien Oppermann und Nico Demand, bearbeiteten die Challenge von Spies Packaging. Für die Bearbeitung stand dem Trio ein Semester zur Verfügung. Regelmäßig stimmte sich die Kleingruppe mit ihren Dozent:innen aus der Forschungsgruppe Wirtschaftsrecht ab und informierte sich über die für den Anwendungsfall relevanten rechtlichen Grundlagen, wie beispielsweise die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), die vorsieht, dass Verpackungen, die Kunststoffe enthalten, ab 2030 – bis auf wenige Ausnahmen – einen Mindestanteil an Post-Consumer-Rezyklat (PCR) aufweisen müssen. So wird Material aus Kunststoffen genannt, dass nach seiner Nutzung durch Endkund:innen entsorgt und dann durch ein geeignetes Verfahren recycelt wird. Insbesondere für die Herstellung von Lebensmittelverpackungen ist die Verfügbarkeit von PCR allerdings begrenzt. Denn die für das Recycling gesammelten Kunststoffe können beispielsweise durch Rückstände aus Reinigungsmittelverpackungen chemisch verunreinigt sein. Außerdem lässt sich nicht ausschließen, dass entsorgte Verpackungen von Endkund:innen zuvor für andere Zwecke genutzt wurden – etwa zur Aufbewahrung von Farben oder Kraftstoffen – was Schadstoffe in den mechanischen Recyclingkreislauf einbringt.

Zusätzlich beschäftigten sich die Studierenden damit, ob laut Gesetzgebung auch Post-Industrial-Rezyklat (PIR), also wiederaufbereitete, unternehmensinterne Produktionsausschüsse, zur Erfüllung der Anforderungen genutzt werden dürfen. Hier wäre den Herstellern der Ursprung der recycelten Kunststoffe bekannt und eine Kontaminierung durch Rückstände ausgeschlossen. Außerdem überprüften sie, ob Teile der von Spies Packaging produzierten Verpackungen als „ohne Lebensmittelkontakt“ klassifiziert werden könnten, sodass möglicherweise weniger strenge Anforderungen an das Rezyklat für diese Verpackungselemente gelten würden. Auch mit geeigneten Recyclingverfahren speziell für Lebensmittelverpackungen beschäftigten sich Holzhauer, Oppermann und Demand.

Damit die Kleingruppe der Frage nach einer Möglichkeit zur Erfüllung der Rezyklatquoten besser nachgehen konnte, lud das Unternehmen die Studierenden zur Besichtigung seines Standorts nach Melle ein. „Vor Ort konnten wir die Herstellungsprozesse und auch die eingesetzten Maschinen kennenlernen“, berichtete Oppermann. „Das Hintergrundwissen hat uns bei der gezielten Analyse des rechtlichen Regelwerkes sehr weitergeholfen.“

Auf die Phase der inhaltlichen Arbeit folgte Ende Mai ein Pitchtraining mit Amir Giebel, Referent für Innovationsmanagement. Ziel des Trainings war es, die erarbeiteten Ergebnisse zielgerichtet und überzeugend zu kommunizieren. Giebel, Mitglied der InCamS@BI-Forschungsgruppe Innovationsmanagement, gab den Studierenden Tipps zur Foliengestaltung und der Präsentation. Außerdem wurden die Studierenden während ihrer Pitches gefilmt, um die eigene Vortragsweise besser analysieren zu können. Gut vorbereitet waren die Studierenden damit für den nächsten Schritt – die Präsentation der Ergebnisse des Makeathons vor der gesamten Gruppe – und den Vertretern von Spies.

Wirtschaftsrechtsstudierende eröffnen Spies Packaging neue Perspektiven

„Spies Packaging unterliegt grundsätzlich den Vorgaben der PPWR. In Bezug auf die Erfüllung der Mindestrezyklatquoten sind jedoch einige Aspekte zu beachten“, leitete die Studierende Emily Holzhauer die Präsentation der Makeathon-Ergebnisse ein. So sei im speziellen Anwendungsbiet der PPWR bei der Herstellung von Verpackungen für Lebensmittel zu beachten, dass Rezyklate nur verpflichtend einzusetzen seien, sofern gesundheitliche Risiken ausgeschlossen werden können. „Dies ist der Fall, wenn die Post-Consumer-Rezyklate durch ein geeignetes Verfahren aufbereitet würden. Ein solches Verfahren existiert derzeit jedoch noch nicht“, führte Holzhauer aus. Der Gesetzgeber ermutige Unternehmen bewusst, die Forschung in diesem Bereich zu beobachten oder aktiv mitzugestalten, betonten die Studierenden.

Auf die Frage, ob Teile der hergestellten Lebensmittelverpackungen als „ohne Lebensmittelkontakt“ klassifiziert werden könnten, gab der Blick in die Gesetzgebung eine deutliche Antwort: „Die hergestellten Verpackungen gelten rechtlich als eine Einheit, die dazu bestimmt ist mit Lebensmitteln in Kontakt zu kommen“, erklärte Oppermann. „Eine Aufteilung in Verpackungsbestandteile mit und ohne Lebensmittelkontakt ist daher nicht möglich.“ Auch bezüglich eines möglichen Einsatzes von Post-Industrial-Rezyklat fiel das Urteil der jungen Wirtschaftsrechtsexpert:innen negativ aus. Zur Erfüllung der Rezyklatquote sei laut der aktuellen Rechtsgebung Post-Consumer-Rezyklat einzusetzen.

Derzeit konnten Holzhauer, Oppermann und Demand das Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeitsgesetzgebung und der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit für Spies Packaging nicht auflösen. Sie gaben dem Unternehmen aber den Hinweis, die künftige Entwicklung der Gesetzgebung weiter zu beobachten. Auch den aktiven Austausch des Unternehmens mit dem Bundesumweltministerium oder einer Expertengruppe aus externen Sachverständigen zur Verpackungsverordnung als beratendem Gremium der Europäischen Kommission, empfahlen die Wirtschaftsrechtler:innen dem Hersteller von Lebensmittelverpackungen. „Für uns war der Makeathon eine Chance, schon früh Einblicke in die Berufswelt zu bekommen“, resümiert Nico Demand. Jens Huchzermeier von Spies Packaging lobte die harmonische und erfolgreiche Kooperation mit den Studierenden. Auch wenn noch keine finalen Lösungen beim Makeathon herauskamen, war man von der professionellen Vorgehensweise der Studierenden beeindruckt. „Eine zukünftige Zusammenarbeit mit einer Studierenden in Form einer Praxisphase im Unternehmen ist bereits fest geplant.“

Der InCamS@BI-Makeathon als Erfolgsmodell

Neben Spies Packaging beteiligten sich in diesem Jahr auch Wago und Continental am Makeathon. Inhaltlich bearbeiteten die 21 Masterstudierenden so insgesamt sieben verschiedene Challenges. Dabei ging um weitere aktuelle Themen aus dem Wirtschaftsrecht wie Haftung und Urheberrecht in Bezug auf Künstliche Intelligenz, den Digitalen Produktpass und den Einsatz einer Contract-Lifecycle-Management-Software. Wago nahm in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal am Makeathon teil. „Für uns ist der Makeathon ein Erfolgsmodell. Der Kontakt zu den Studierenden und der externe, frische Blick haben uns bereits im letzten sehr gut gefallen, deshalb haben wir uns auf die erneute Zusammenarbeit gefreut“, betonte Kathrin Sawatzky, Managerin für Product Sustainability bei Wago. Auch ihr Unternehmen will Praktika anbieten. Philipp Schmidt-zum Berge von Continental betonte, dass die Ergebnisse der Studierendengruppe eine hervorragende Grundlage für die weitere Nutzung im Unternehmen darstellten.

Der dritte InCamS@BI-Makeathon endete besonders praxisnah, denn Wago hatte seine Räumlichkeiten für die Ergebnispräsentation zur Verfügung gestellt. Zum Abschluss hatten die Studierenden und Unternehmensvertreter:innen noch die Gelegenheit, einen Blick in die Produktion des Unternehmens zu werfen. „Ich freue mich, dass über unseren Makeathon wieder spannende Kooperationen zwischen unseren Studierenden und den Unternehmen entstanden sind“, zog Prof. Nitschke Bilanz. „Das Modul Wirtschaftsrecht im Transfer ist ein Gewinn für unsere Studierenden, um an Praxisbeispielen Zusammenhänge im Unternehmensalltag zu verstehen und auf rechtliche Fragen zu übertragen. Die Kommunikation mit Nicht-Jurist:innen kann hier sehr gut geschult werden, das ist eine wichtige Schnittstellenkompetenz. Das Makeathon-Prinzip ist ein Beispiel für das praxisorientierte Konzept der Forschung und Lehre der HSBI“.

Die Forschungsgruppe Wirtschaftsrecht wird in diesem Jahr noch zwei Expert Panels im Rahmen des Transferprojektes InCamS@BI zur Thematik der Verpackungsverordnung ausrichten. Die Expert Panels setzen sich aus Vertreter:innen von Unternehmen und des InCamS@BI-Teams zusammen. In einem vertraulichen Format werden aktuelle Forschungsthemen sowie Anwendungsmöglichkeiten oder Neuentwicklungen diskutiert.

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