Milch wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in unserer Ernährung spielen

07.05.2024
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Symbolbild

Sabrina Schlegel, Betriebsleiterin und Präsidentin von Mittelland Milch, blickt optimistisch auf die Zukunft der Schweizer Milchwirtschaft. Trotz kurz- und langfristiger Herausforderungen ist sie überzeugt, dass Milch auch morgen noch einen wichtigen Platz in unserer Ernährung einnehmen wird.

Wer Sabrina Schlegel zuhört, merkt sofort: Die ETH-Agronomin und Landwirtin ist eine Frau mit klaren Vorstellungen und einem grossen Engagement für die Landwirtschaft.  Ihr Fachwissen und ihre Meinung teilt sie nicht nur in Fachverbänden und Gremien, sondern auch auf Plattformen wie LinkedIn, wo sie sich zu aktuellen Themen der Landwirtschaft äussert. Dort spricht sie über Direktzahlungen, Digitalisierung und Technikeinsatz auf den Betrieben, Löhne, Arbeitsbelastung und Ressourceneffizienz.

Die Betriebsleiterin bewirtschaftet zusammen mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb in Oschwand BE und vertritt als Präsidentin von Mittelland Milch die Interessen von über 1700 Milchproduzenten. Sie ist zudem Vorstandsmitglied der Schweizer Milchproduzenten (SMP) und Mitglied der Landwirtschaftskammer (LAKA) des Schweizer Bauernverbandes (SBV).

Sabrina Schlegel weiss, wovon sie spricht, wenn sie aktuelle Herausforderungen, Chancen und Entwicklungen in der Milchbranche einordnet: «In der landwirtschaftlichen Praxis haben wir den Eindruck, dass sich die Produzentinnen und Produzenten weiter spezialisieren. Man entscheidet sich bewusster für die eigene Produktionsstrategie, sei es Low-Cost oder High-Input, je nachdem, was der eigene Standort bietet. Auch das Kostenbewusstsein ist gestiegen.»

Sie fügt hinzu: «Ein grosser Trend ist die Nachhaltigkeit und hier vor allem das Klima.» Projekte wie KlimaStaR-Milch zeigten, dass die Schweiz im internationalen Vergleich hervorragende Emissionswerte habe, die es weiter zu verbessern und geschickt zu vermarkten gelte.

Hohe Arbeitsbelastung als grosse Herausforderung

Eine der grössten Herausforderungen in der Milchbranche sieht Sabrina Schlegel in der hohen Arbeitsbelastung bei vergleichsweise niedrigem Stundenlohn. Sie betont, dass viele nicht mehr bereit seien, grosse Kompromisse bei ihrer Lebensqualität einzugehen: «Unsere Branche verfolgt mit Besorgnis, dass sich junge Landwirtinnen und Landwirte immer weniger für die Milchproduktion entscheiden», so Schlegel. «Wir bei den SMP setzen uns dafür ein, dass die landwirtschaftliche Arbeit für Frauen und junge Menschen attraktiver wird und auch eine Work-Life-Balance möglich ist. Abschreckend wirken auch die sich rasch ändernden Vorschriften, verbunden mit einem enormen bürokratischen Aufwand. Aber das betrifft die gesamte Landwirtschaft.»

Ein Trend zeichnet sich auch in der Optimierung der Datenbanken ab. So soll der administrative Aufwand in den kommenden Jahren gesenkt werden. «Heute muss man einen Datensatz X-Mal erfassen.  Zum Beispiel muss ich bei der Besamung einer Kuh, dies im Herdenmanagementsystem, im Zuchtverband und beim Agate – wenn sie kalbert – eingeben.»

Sinkende ausländische Kaufkraft wirkt sich aus

Der teure Schweizer Franken, die Inflation und die sinkende Kaufkraft im Ausland wirken sich laut Sabrina Schlegel negativ auf den Milchmarkt aus. So wurde 2023 erstmals mehr Käse importiert als exportiert. Sabrina Schlegel betont: «Dadurch gelangt weniger Milch in die Käsereien und somit mehr Einschränkungsmilch zu den grossen Verarbeitern wie Emmi. Gerade im Frühling, wenn die Milchmenge am grössten ist, stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Verschiedene Verarbeiter haben zudem Mühe, genügend wirtschaftlich zu arbeiten, was sich wiederum negativ auf den Milchpreis auswirkt.»

Sabrina Schlegel ergänzt: «Dass die Schokoladenindustrie wieder vermehrt auf den Veredelungsverkehr bzw. auf ausländisches Milchpulver für Exportschokolade setzt, entspannt die Situation nicht. Zudem ist das Kostenbewusstsein auch in der Schweiz gestiegen.»

Schlegel ist optimistisch

Trotz dieser Herausforderungen bleibt Sabrina Schlegel optimistisch für die Zukunft der Milchwirtschaft. Sie geht davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren über 70 Prozent der Betriebe ihren CO₂-Fussabdruck aktiv reduzieren werden und dass die Milchproduktion in der Schweiz an Bedeutung gewinnen wird.

Denn der Trend zu mehr Nachhaltigkeit hält an, auch bei der Milch. «Ein erster Schritt war die Einführung eines Nachhaltigkeitsstandards für die Milchproduktion der Branchenorganisation Milch (BOM). Zudem hat der Vorstand der BOM vor kurzem beschlossen, einen freiwilligen Klimarechner einzuführen, um noch mehr Informationen über unseren CO₂-Fussabdruck zu sammeln und daraus Verbesserungsmassnahmen abzuleiten.» Das System beruhe auf Freiwilligkeit für beide Seiten, weshalb noch nicht klar sei, wie viele Produzentinnen und Produzenten schlussendlich vom Beitrag von einem Rappen pro kg Milch fürs Ausfüllen profitieren würden.

Sabrina Schlegel verweist auf eine aktuelle Studie der HAFL, die zeigt, dass für ein nachhaltiges Ernährungssystem der Milchkuhbestand plus/minus konstant bleiben müsste und sich die produzierten Milch- und Rindfleischmengen nur gering verändern würden. Die Kuh liefert nicht nur Milch, sondern Kälber und am Schluss der Produktionsdauer selbst auch noch Fleisch. «Das stimmt uns optimistisch und wir hoffen, dass diese Erkenntnis auch in die AP2030+ einfliessen wird», so Sabrina Schlegel.

Arbeitsteilung zwischen Berg und Tal

So könnte sich die Landwirtin eine Arbeitsteilung zwischen Berg und Tal sehr gut vorstellen – doch müsste diese durch Direktzahlungen gefördert werden: «Eine Lösung wäre, die Kälber auf den Talbetrieben abzutränken und sie im Berggebiet als Weidebeef zu mästen, auf Betrieben, die schon heute nicht mehr melken.»

Sabrina Schlegel ist überzeugt, dass Trends und Entwicklungen durchaus beeinflusst werden können und sollen. Deshalb und gerade wegen ihres Interesses ist es Sabrina Schlegel wichtig, die Zukunft der Landwirtschaft und der Milchwirtschaft aktiv mitzugestalten. «Dank Anpassungen in der Agrarpolitik und der Digitalisierung werden der bürokratische Aufwand geringer und wir Landwirtinnen und Landwirte mit einem zielorientierten Direktzahlungssystem freier in der Führung unserer Betriebe sein.» So sollte eine Zielerreichung und nicht z. B. basierend auf dem Schnittzeitpunkt entschädigt werden, sagt Schlegel. 

Die Präsidentin der Mittelland Milch ist zuversichtlich, dass die Landwirtschaftsbetriebe aus eigener Motivation und mit der Unterstützung des Bundes die Milchproduktion auf dem heutigen Niveau halten können – damit in 10 Jahren Milch und Käse zu einem fairen Preis auf dem Schweizer Speiseplan stehen. 

Und Sabrina Schlegel unterstreicht zum Schluss: «Die Milchkuh ist extrem ressourceneffizient und deshalb bin ich davon überzeugt, dass genau diese Kuh das Nutztier der Zukunft ist.»

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