Alkoholfreie Biere: In 40 Jahren aus der Nische zum Hoffnungsträger
Wer am Ende des vergangenen Jahrtausends in der Kneipe ein alkoholfreies Bier bestellte, wurde im besten Fall mitleidig angeschaut. Angst um den Führerschein, Schwangerschaft oder eine schlimme Krankheit: Wer auf ein "richtiges" Bier verzichtete, brauchte dafür gute Gründe. Die Gegenwart ist eine komplett andere:

pixabay/rawpixel
Der Durst der Deutschen auf herkömmliches Bier nimmt beständig ab, und für die Brauer sind die "bleifreien" Sorten längst zum großen Hoffnungsträger geworden.
So auch im vergangenen Jahr, als die deutschen Brauereien in einem Jahrhundertsommer mit Fußball-Weltmeisterschaft ihren Absatz von steuerpflichtigen Vollbieren und Mischgetränken nur um magere 0,5 Prozent auf 94 Millionen Hektoliter steigern konnten. Das zweitschwächste Ergebnis der Historie wurde aber durch den zunehmenden Erfolg der steuer- und alkoholfreien Sorten gemildert.
Die Nachfrage nach alkoholfreiem Bier habe selbst optimistische Prognosen übertroffen, jubelt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Mittlerweile gebe es in Deutschland rund 500 verschiedene alkoholfreie Marken - und der Marktanteil werde von jetzt 7 auf 10 Prozent steigen. Hilfreich ist dabei der im Vergleich zum herkömmlichen Bier nur rund halb so hohe Kaloriengehalt und das sportlich-gesunde Image.
Vor 40 Jahren konnte sich die Frankfurter Binding-Brauerei noch als einsamer Pionier fühlen, als sie ihr "Clausthaler" auf den Markt brachte. In der DDR gab es bereits seit einigen Jahren ein "Autofahrerbier" (Aubi) - schließlich galt für ostdeutsche Autofahrer eine strenge 0,0-Promille-Grenze. Auch im Westen hatte es bereits einige alkoholfreie Ableger herkömmlicher Biere gegeben, aber eine landesweit stark beworbene Biermarke ohne Alkohol war 1979 ein absolutes Novum.
"Der Geschmack sollte möglichst nah an einem Pils liegen", erzählt der Frankfurter Braumeister Peter Winter von den damaligen Vorgaben des Marketings. Das ist schon aus technischen Gründen nicht ganz einfach, denn im einstmals patentierten Brauprozess von Clausthaler wird die Gärung relativ früh abgebrochen, wenn nämlich der gesetzlich noch zulässige Alkoholgehalt von 0,5 Prozent erreicht ist. Dieser Restalkohol werde als Geschmacksträger benötigt, sagt Winter. Andere Brauer reduzieren den Alkoholgehalt erst nach der abgeschlossenen Gärung. Dazu wird das Bier speziell gefiltert oder der Alkohol aus dem Bier "gekocht".
Beim abgebrochenen Gärprozess kann der im Gerstenmalz vorhandene Zucker nach dem Entfernen der Hefe nicht komplett in Alkohol umgewandelt werden, wie es bei einem herkömmlichen herben Pils der Fall wäre. Im Ergebnis führt das zu einer leicht süßlichen Note, die die Clausthaler-Brauer mit zusätzlichem Hopfen überlagern. Im Norden und Westen der Republik reichte das den pils-orientierten Biertrinkern nicht aus, so dass in den 1995 ein "extra-herber" Ableger mit noch mehr Hopfen nachgelegt wurde.
Die Stiftung Warentest ist mit dem aktuellen Angebot alkoholfreier Biere geschmacklich zufrieden. "Einige schmecken eher nach Würze und süß, andere eher hopfig. Manche riechen malzig, andere fruchtig. Die besten sind harmonisch und vollmundig", fanden die Tester im vergangenen Jahr und vergaben überwiegend gute Noten.
"Aus dem restriktiven Bier-Ersatz ist ein emotionales Genussmittel geworden", beschreibt die für Clausthaler zuständige Marketing-Leiterin Juana Leister die Entwicklung. Der zum Oetker-Konzern gehörende Brauriese Radeberger schweigt zwar zu den Absatzzahlen der einzelnen Marken. Klar ist aber, dass es die zum Konzern gehörige Binding-Brauerei ohne Clausthaler und die Weizenbiermarke Schöfferhofer in ihrer heutigen Form nicht mehr gebe.
Und Clausthaler gilt intern als zukunftsträchtig, hat gerade einen neuen Markenauftritt und eine zusätzliche Naturtrüb-Variante erhalten, die an stark gehopfte Craft-Biere erinnern soll. So wird es Leister zufolge weitergehen: "Wir wollen mit Clausthaler die großen Bier-Trends abbilden, aber eben ohne Alkohol."/ceb/DP/stw (dpa)
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