Wem gehört der Osten? - Bauern und Anleger ringen um Ackerland
- DIE LPG-NACHFOLGER:
Sie halten das Gros der Agrarflächen im Osten - was an den Direktzahlungen der EU ablesbar ist, die an die Fläche gekoppelt sind. Von den 30 deutschen Agrarbetrieben, die 2014 mehr als 1,5 Millionen Euro bekamen, sind 28 Genossenschaften im Osten.
Kritik an der EU-Subventionspraxis gibt es seit langem. Es sei eine großbetriebliche Landwirtschaft konserviert worden, hieß es schon 2012 in einem Gutachten für den Brandenburger Landtag. Die Gegenseite entgegnet, die Großen produzierten mehr und vor allem effizienter.
Die früheren Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sind besonders interessant für Investoren. Denn viele, die zu Wendezeiten die Betriebe übernommen haben - zum Teil die damaligen LPG-Leiter - gehen nun in Rente und verkaufen ihre Anteile.
"Außerlandwirtschaftliche Investoren haben jetzt keine Mühe mehr, arrondierte Betriebe zu schaffen", erklärt Eckehard Niemann, Co-Autor des Kritischen Agrarberichts. "Sie nutzen, was die DDR und die Regierung Kohl geschaffen haben."
Wo Flächen frei werden, fassen immer mehr finanzstarke Investoren aus dem Westen Fuß. Die Grünen sehen eine "schleichende Übernahme".
Zu den größten Bodenbesitzern zählt die KTG Agrar mit 45 000 Hektar Land, vor allem in Ostdeutschland, zudem in Litauen und Rumänien. Man habe zur richtigen Zeit investiert, betont der Vorstandschef und Gründer, der aus Bayern stammende Landwirt Siegfried Hofreiter.
"Für KTG bedeutet die Bodenpreissteigerung, dass hohe stille Reserven gebildet wurden", bemerkt die börsennotierte SE im Geschäftsbericht und blickt weiter östlich: "In Zukunft wird das Flächenwachstum nach wie vor außerhalb von Deutschland im Fokus stehen."
Andere Unternehmer zielen neben guten Ernten ausdrücklich auf die Wertsteigerung der Ost-Äcker, etwa die Agro Energy AG, hinter der Hamburger Investoren und der Sauerländer Agrarunternehmer Matthias Graf von Westphalen stehen. In einem ersten, vor vier Jahren verkauften Investment mit 4200 Hektar holten sie für die Anleger nach eigenen Angaben eine jährliche Rendite von 13,5 Prozent. Nun werde über den Kauf von 20 000 Hektar in Ostdeutschland verhandelt.
Andere große Namen auf dem Ost-Bodenmarkt sind die niedersächsischen Unternehmensgruppen Lindhorst und Steinhoff sowie die münsterländische Rethmann-Gruppe.
Noch recht neu ist, dass Energiekonzerne nach Boden greifen, um schnell wachsende Bäume wie Pappeln und Weiden zu pflanzen, die sie in Kraftwerken verheizen. So bewirtschaftet der schwedische Staatskonzern Vattenfall Plantagen auf 1800 Hektar. Das Land Brandenburg erwartet, dass die Fläche dieser "Kurzumtriebsplantagen" im Land bis zum Jahr 2020 auf 10 000 Hektar wächst.
Die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG), eine Nachfolgerin der Treuhand, verkauft einst volkseigene Flächen im Osten zu Höchstgeboten. In ihrem Bestand sind noch rund 177 000 Hektar Acker- und Weideland sowie 16 000 Hektar Wald - insgesamt mehr als sechs Mal so viel wie die Fläche der Stadt München.
Bauernvertreter kritisieren immer wieder die Preispolitik der bundeseigenen BVVG. Vorwiegend Großbetriebe und westliche Agrarindustrielle kämen zum Zug. Die BVVG betont, der Großteil der Verkäufe gehe an ortsansässige Bauern. Für große Investoren seien die Ausschreibungen mit durchschnittlich wenigen Hektar uninteressant. Ganze Betriebe seien für sie reizvoller.
Sie hat sich spät zum Handeln durchgerungen. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat kürzlich verfügt, dass die BVVG in noch kleineren Losen privatisiert und Kontingente für Biobetriebe und Junglandwirte vorhält. Das brandenburgische Agrarministerium arbeitet an einem Erlass, ortsansässige Bauern bei Verkäufen zu bevorzugen. In Sachsen-Anhalt wird ein Gesetz gegen Bodenspekulation diskutiert.
Die Initiativen richten sich vor allem gegen außerlandwirtschaftliche Spekulanten; große Agrarbetriebe per se sind für sie kein Problem. Schmidt sagt, man dürfe die Landwirtschaft nicht als "größeres Freilandmuseum" romantisieren./bf/DP/stb (dpa)
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