Studie zur Toxizität von Pestiziden in Deutschland sieht Handlungsbedarf
Grafik: RPTU, Sascha Bub, 2023
Wollen die Länder der EU das Ziel erreichen, muss gehandelt werden: „Um Pestizidrisiken auf nationaler oder kontinentaler Ebene zu reduzieren, kann man zum Beispiel geringere Mengen Pestizide einsetzen oder eine gleichbleibende Menge durch weniger toxische Pestizide ersetzen“, erläutert Sascha Bub, Hauptautor der Studie, deren Grundannahme. Basierend auf dieser Annahme haben die Landauer Forscher eine einfache Methode zur Risikoabschätzung entwickelt: „Multipliziert man für jedes in einem Jahr in einem Land genutzte Pestizid dessen angewendete Menge und dessen Toxizität miteinander und summiert danach die Multiplikationsprodukte auf, erhält man über mehrere Jahre wiederholt einen groben Indikator, wie sich Pestizidrisiken entwickeln. Wir nennen diesen Indikator ‚ausgebrachte Gesamttoxizität‘“, erläutert Bub. Die spezifische Toxizität von Pestiziden gegenüber verschiedenen Organismengruppen unterscheidet sich dabei sehr stark, manchmal um das Milliardenfache. Manche Pestizide sind besonders giftig für Bestäuber, andere dagegen für Bodenorganismen oder Pflanzen. Deswegen haben die Autoren der Studie die ausgebrachte Gesamttoxizität für 292 Pestizide, die zwischen 1995 und 2019 in Deutschland angewendet wurden, für acht Organismengruppen getrennt berechnet und haben dabei 1889 Schwellenwerte aus dem EU-Zulassungsverfahren für Pestizide verwendet.
Das Ergebnis: In Deutschland hat die ausgebrachte Gesamttoxizität über die vergangenen 25 Jahre nur für Landwirbeltiere abgenommen, während sie zur gleichen Zeit für Fische, Landpflanzen und Bodenorganismen zunahm. „Die Zunahme bei den Bodenorganismen verdient Beachtung, denn diese sind maßgeblich an der Aufrechterhaltung der Bodenqualität beteiligt. Zunehmende Risiken für Bodenorganismen könnten sich langfristig auch auf die landwirtschaftliche Produktivität auswirken“, so Bub. Die Zunahme bei den Fischen sei ebenfalls bemerkenswert, da es seit vielen Jahren starke Bemühungen gäbe, die Toxizität von Pestiziden gegenüber Wirbeltieren, also auch Fischen, zu verringern, und sich ein entsprechend abnehmender Trend auch in einer Vorgängerstudie für die USA gezeigt hatte.
Methoden zur Beurteilung der Risikoverminderung müssen verbessert werden
Die Studie diskutiert ihre Ergebnisse auch in Bezug auf die EU-Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden. Diese sieht eine Reduzierung von Pestizidrisiken um 50 Prozent bis 2030 vor. „Jedes Ziel zur Risikoverminderung benötigt Indikatoren, um dessen Erfolg zu beurteilen“, bemerkt Ralf Schulz, Mitautor der Studie. „Wir haben den harmonisierten Risikoindikator der EU mit der ausgebrachten Gesamttoxizität verglichen, um zu verstehen, warum der EU-Risikoindikator entgegen unserer Ergebnisse ein sinkendes Risiko anzeigt.“ Die Wissenschaftler bemängeln, dass der EU-Risikoindikator nicht zwischen verschiedenen Organismengruppen unterscheidet und einzelne Pestizide fixen Risikokategorien zuordnet, anstatt deren spezifische Toxizität gegenüber einzelnen Organismengruppen zu berücksichtigen. Aus Sicht der Landauer Wissenschaftler ist der EU-Indikator daher als Risikoindikator ungeeignet. „Bei der Anwendung des harmonisierten Risikoindikators bleibt ein wesentlicher Faktor für Pestizidrisiken, nämlich Toxizität, unberücksichtigt“, betont Schulz. Dieser Indikator spiegelte nicht wider, dass manche Pestizide zunehmend toxisch auf einzelne Organismengruppen wirken. Außerdem ist er in einer Weise angelegt, so Schulz, die dazu führe, dass eine bloße Neukategorisierung von Pestiziden bereits zu einem sinkenden Trend führen kann. „Die EU hat sich ambitionierte Ziele zur Minderung von Pestizidrisiken gesetzt. Die Methoden, mit denen das Erreichen dieser Ziele überwacht wird, sollten so fundiert wie möglich sein.“
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